Wenn man Menschen nach ihren Partnerpräferenzen fragt, finden wir in ihren Antworten eher die Vorstellungen von den Eigenschaften wieder, die sie mögen oder auch nicht mögen. Aber nicht, inwieweit diese Eigenschaften tatsächlich ihre Partnerwahl im wirklichen Leben bestimmen.
Paul Eastwick
Die Theorien, die uns die Psychologie heute zum Thema „Liebe und Partnerwahl“ anbietet, sind ebenso vielfältig wie differenziert, und sie basieren teils auf Annahmen, teils auf Erhebungen unter Studenten und gelegentlich auch auf Praxiswissen.
Wie gehen Psychologen vor?
Im Grundsatz vergleichen Psychologen menschliche Eigenschaften, um zu einem Urteil zu kommen, ob die Person A mit der Person B harmoniert. Das kling einfach und logisch – ist es aber nicht. Denn zunächst fragt sich, welche Eigenschaften dabei überhaupt eine Rolle spielen könnten, dann, ob sie erhoben werden können und schließlich, wie sie bewertet werden können. Üblicherweise sagt man heute, dass „Persönlichkeitsmerkmale“ berücksichtigt würden, also nicht mehr „Charaktereigenschaften“. Die Konzentration auf Persönlichkeitsmerkmale erfordert Einschränkungen. Die Fähigkeiten, langfristig (nachhaltig) denken zu können, humorvoll zu sein oder Problemlösungskapazitäten vorzuhalten oder innig lieben zu können, gehören (soweit ich weiß) nicht dazu. Überhaupt kommen Eigenschaften, die für die Liebe „an sich“ wichtig sind, dabei nicht zum Tragen. Das wären schon genug Argumente, um das ganze Gebäude der „Partnerübereinstimmung durch Persönlichkeitsmerkmale“ zum Einsturz zu bringen. Das Wichtigste ist aber: Niemand kennt die Formel, wer aufgrund der am Ende ermittelten Persönlichkeitsmerkmale „wirklich“ zueinanderpasst. Sie „gefunden“ zu haben, ist reine Spekulation.
Psychologische Basis: zwei fragwürdige Annahmen
Die psychologischen Theorien zur menschlichen Partnerwahl beruhen auf zwei gegensätzlichen Annahmen:
Demnach beruht die Partnersuche einerseits auf Gleichheit in den Persönlichkeitseigenschaften. („Gleich und Gleich gesellt sich gerne“, Homogamie-Theorie oder Gleichheitshypothese).
Andererseits gibt es die konträre Theorie. Nach ihre beruht die Anziehungskraft bei der Partnersuche auf Gegensätzen. („Gegensätze ziehen sich an“, Heterogamie-Theorie oder Gegensätzlichkeitshypothese.)
Alternative Sichtweisen
Da die Psychologie im Gegensatz zu den Alltagserfahrungen dazu neigt, Kompromisse zu meiden, würde sie diesen Satz nicht akzeptieren:
Die Anziehungskraft einer Person beruht auf Eigenschaften, in denen beide übereinstimmen und auf solchen, in denen sie gegensätzlich sind.
Tatsächlich gibt es nur wenige Psychotherapeuten, die dem zustimmen würden – einer davon war Jürg Willi. Er verwendete den Ausdruck „polare Gegensätze bezügliche des Gleichen“ und kommt dabei dem „Ergänzungsprinzip“ sehr nahe, indem er sagt „Gegensätze vom Gleichen ziehen sich an.“ Positiv gesehen wird daraus ein Ausgleich, der beiden Partner nützt.
Man könnte dazu nun auch sagen:
Die Partnersuche beruht sowohl auf Ergänzungen zu den jeweiligen Persönlichkeitseigenschaften des anderen wie auch auf Gemeinsamkeiten und weiteren Faktoren, die weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehören.
Ganz anders: wohlfühlen, wertvoll sein, lieben
Außerhalb der Psychologie der Persönlichkeitseigenschaften gibt es zahllose andere Modelle: Vom pragmatischen Konzept der „Nähe“ über das „Wohlfühl-Prinzip“ und das „Wertvoll sein“ bis hin zu allerlei Liebeskonzepten, die sich gar nicht erklären lassen.
Andererseits müssen wir nun auch einen Umstand erwähnen, der zu den eher dunklen Punkten der modernen Partner-Kultur zählt: der Wunsch nach einer zuverlässigen Prognose des Zusammenhalts. Allein dieser Wunsch führte (und führt weiterhin) zu allerlei abenteuerlichen, teils absurden, aber überwiegend auf Glaubensfragen beruhenden Theorien, warum einer zum anderen passen könnte.
Wissenschaftler und Wahrsager als Zukunftsdeuter
Die Philosophie und die Psychologie, die die Soziologie und die Ökonomie versuchen, Antworten zu geben – man prüfe genau, wer da schreibt und aus welchem Wissen und welcher Erfahrung er schöpft. Ideologen, Fanatiker, Esoteriker, Wahrsager, Astrologen und Kartenschläger(innen) aller Art versuchen die Unsicherheit der Zögerlichen auszunutzen, um zu warnen und zu bestätigen. Wer sich damit auseinandersetzen will, soll es tun – die Prognosen sind allemal Orakel.
Nimm dein Leben selbst in die Hand
Am Ende gilt eines: Du hast das Recht, glücklich zu werden und du darfst dir das Recht herausnehmen, zu scheitern. Und dazu gehört auch noch dieser Spruch, den ich häufig verwende:
Eine Beziehung (eine Ehe) kann wegen der Übereinstimmung, trotz der Übereinstimmung oder völlig unabhängig davon glücklich werden – oder eben auch scheitern.
In Teilen dieses Artikels wurden Erkenntnisse von Lucy Hunt, Paul Eastwick und Jürg Willi genutzt. Ein weiterer Teil beruht auf Beobachtungen des Partnermarkts und Verlautbarungen der Online-Dating-Branche. Das verwendet Bild basiert auf einem historischen Foto.