Liebe: Was für ein Gefühl ist das eigentlich?

Gefühle – nur welche?

Ein Gefühl ist eine Empfindung – und zunächst nicht mehr. Derartige Empfindungen kann man auch als „Bewegungen“ auffassen – deshalb heißen sie auch „Emotionen“. Grundsätzlich aber sagen die meisten Menschen, sie würden etwas „fühlen“ oder „erfühlen“, wenn sie keine logische, praktische oder auch nur zuvor bekannte Erklärung für den Zustand ihres Gemüts haben.

Das unklare Bild: Ein Gefühl ist …

Liest man alte und neue Lexika, so verwirren deren Definitionen nahezu alle beachtlich. Im Brockhaus von 1894 liest man, dass es sich gar nicht um „Gefühle“ schlechthin handelt, sondern um „Gemeingefühle“.

(Die Gemeingefühle) … beziehen wir stets auf uns selbst, fassen sie als Zustände unsers Körpers, beziehentlich bestimmter Teile desselben auf.
Dahin gehört vor allem das Gefühl des Schmerzes und der sinnlichen Lust.

Retrobibliothek, Brockhaus (1)

Und noch mehr:

An gewissen Körperstellen nimmt das mit den Gefühlsempfindungen verbundene Lust- und Unlustgefühl ganz eigenartige specifische Gestalten an, wie die Empfindungen des Juckens, des Kitzels, der geschlechtlichen Wollust u.dgl.

Retrobibliothek, Brockhaus (2)

Haarspalterei mit „Emotionen“

Manche Autoren der Jetztzeit versuchen, „Emotionen“ von „Gefühlen“ zu trennen. Sie sagen uns dann, dass eine Emotion (das „äußere Gefühl“) erst zu einem wirklichen Gefühl wird, wenn wir uns dessen bewusst werden, wenn wir also „ein Gefühl vom Gefühl“ bekommen. Das ist im Grunde Haarspalterei, weil wir Gefühle wie Lust, Liebe und Begierde überhaupt nur dann wahrnehmen, wenn sie unser unbewusstes oder bewusstes Denken in irgendeiner Form berührt haben. Woraus sich der logische Schluss ergibt, dass ein nicht wahrgenommenes Gefühl im Grunde genommen überhaupt kein Gefühl ist, sondern ein Ereignis.

Immerhin: Wenn wir wissen wollen, was Gefühle für die Liebe bedeuten, können wir diejenigen Gefühle vernachlässigen, die durch unmittelbare, klar erkennbare äußere Einflüsse verursacht werden. Als Beispiel dafür nenne ich euch das Gefühl, von einer Nadel gestochen zu werden. Andere Gefühle, wie sie bei der Liebe entstehen, können nicht auf ein einziges äußeres Ereignis zurückgeführt werden.

Die äußeren Einflüsse und die Liebe

Natürlich spielen „äußere Einflüsse“ auch bei der Liebe eine Rolle: Man sagt, es handelt sich um angenehme taktile und optische Reize. Das heißt, es geht dabei darum, dass wir an der Gestalt einer Person, ihrem Verhalten, ihrem Tonfall oder ihren Berührungen Gefallen finden.

Keine Wissenschaft kann Gefühle exakt definieren

Doch was dann mit diesen Eindrücken geschieht, ist absolut unklar – was hauptsächlich daran liegt, dass die Psychologie, die als „zuständig“ dafür gilt, das „ICH“ und seine Zustände zu beschreiben, keine Möglichkeiten hat, Gefühle abzubilden.

Die Gehirnforschung wie auch die Forschung an Botenstoffen, oft als „körpereigene Drogen“ bezeichnet werden, kann es allerdings auch nicht. Immerhin wird von Naturwissenschaften ein Minimum an Beweisen gefordert – und in der Tat sind die Forscher in der Lage, solche zu liefern.

Gefühle als Vorgänge verstehen

Wir können Gefühle und ihre Auswirkungen allerdings auch als „Prozesse“ (Abläufen Vorgänge) verstehen – das hat mehr Sinn als die einzelnen Wissenschaften zu befragen, die immer nur den Teil beschreiben können, den sie untersuchen.

Beispiel für die Entwicklung der Gefühle im Fall „Liebe“

Prozesse funktionieren in der Liebe (vereinfacht) so:  

Nehmen wir an, eine sehr attraktive Frau kommt in das Blickfeld eines Mannes. Wir sollten weiter annehmen, dass grundsätzlich bei beiden die Bereitschaft besteht, sich früher oder später mit jemandem zu paaren.

Nun fahren wir über eine Weiche – meistens geradeaus. Das heißt: Es passiert gar nichts. Nur sehr selten werden wir die Weiche in Richtung: „Abbiegen, DIE ist es!“ stellen.

Nehmen wir an, wir hätten die Abbiegung zu dieser Frau genommen und alles, was der Mensch dann so tut, würde freundlich und zufriedenstellend vor sich gehen. Wir nehmen durchaus bewusst wahr, wer diese Frau ist und „lernen sie kennen“. Irgendwann sagt sich dann das Gehirn: „Hey, wenn die Sache bei euch so gut läuft, dann produzier ich mal Verliebtheit.“ Das muss sich lohnen, denn dir Natur weiß, dass der Mensch damit geistig ein wenig „außer Gefecht gesetzt“ wird. Also setzt die Natur nur dann ihre Maschinerie in Gang, wenn sie meint, dass es sich lohnt. Und „lohnen“ heißt für die Natur: „wenn es auch intensiven Sex gibt.“

Glücklicherweise hält dieser Zustand eine Weile, sonst würden Menschen, wie viele andere Lebewesen, die Lust aufeinander sogleich nach der Paarung verlieren.

Jetzt allerdings stehe ich als Erklärer mit leeren Händen da. Denn es gibt keine verbindliche  Definition des Gefühls oder besser „der Gefühle“, die uns „Liebe empfinden“ lassen.

Denn nun ist hat der Prozess eine Eigendynamik entwickelt, die sich dem fremden Beobachter verschließt. Die drogenartigen Botenstoffe haben ja nicht nur für körperliche Sinneslust gesorgt, sondern sie haben dabei auch das Gefühlsgefüge verändert. Etwas ist uns wichtiger geworden, etwas anderes haben wir zur Seite geschoben. Soweit also zum „analogen Teil“ der Gefühle.

Nur der guten Ordnung halber: Das Ganze läuft bei männlichen Exemplaren genauso ab wie bei den weiblichen.

Der Homo sapiens kann tatsächlich denken

Und nun? Nun kommt der Homo sapiens durch: Wir sind Menschen, und wir haben ein ziemlich kompliziertes System entwickelt, mit dem wir alles beschreiben, einordnen oder bewerten können. Dieses System steht nicht still, nur weil wir jetzt jemanden lieben. Und es versucht nun auch, mit der jeweils neueste Situation umzugehen. Das hat ganz praktische Auswirkungen, wenn wir versuchen, einem Unbeteiligten zu vermitteln, was wir „eigentlich wirklich fühlen.“

Wir bemerken dann zumeist, dass sich eine Schranke zwischen dem befindet, was wir „Unser Fühlen“ nennen würden und dem, was wir davon wirklich beschreiben können.

Nun sind wir also beim Denken. Irgendwie und irgendwann hat das Denken bemerkt, dass es die Gefühle, die vorausgeeilt sind, einholen müsste, und das ist eine ziemlich harte Arbeit. Sie ist so schwierig, weil Gefühle „analog“ stehen, also nur in der Intensität wahrnehmbar sind. Wollen wir sie „ausdrücken“, so müssen sie „digital“ umsetzen, so gut es möglich ist – für uns selbst wie auch für andere. Mache Autoren sprechen dann von „Gefühlswahrnehmung“.

Für Dich … dein Bild der Liebe

Ich neige eher dazu, zu sagen: Wir können uns ein Bild von unseren Gefühlen machen. Und wenn es Liebe ist, dann ist es eben unser Bild von der Liebe. Es zeigt einen eindeutigen Pinselstrich und nur wir konnten es erzeugen.

Quelle der Brockhaus-Texte: (1) Gefühle (2) Gemeingefühl.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.