„Mit der Liebe spielt man nicht“ … es sei denn, man täte es. Denn so überzeugend und wohlmeinend der Spruch ist, es sei unethisch, mit der Liebe zu spielen, so sicher können wir andererseits sein, dass wir es selbst schon einmal getan haben. Ich werde das Thema hier ausführlich behandeln – und möglicherweise findet ihr am Ende, dass es weder falsch noch unmoralisch ist, mit der Liebe zu spielen, sondern dass es zum Leben gehört.
Es sind die Moralistinnen, die zuerst den Finger hoch in die Luft heben. Sieht man sich vor allem die Frauenforen an, die es im Internet in Massen gibt, dann erlebt man einen grellen Aufschrei: „Nein, auf keinen Fall!“
Die Teilnehmerinnen meinen etwas anders. Sie sagen, dass es unredlich ist, eine tief empfundene Liebe vorzugaukeln, während sich die Gefühle in Wahrheit bestenfalls im Schritt abspielen.
Die Liebe beginnt als Spiel
Womit wir beim Thema wären. Die Liebe beginnt ja nicht etwas mit der Frage: „Du siehst so toll aus und hast so gute Eigenschaften, da könnten wird doch heiraten?“ Sondern sie fängt damit an, dass eine Frau Botschaften aussendet, die in etwa sagen: „Versuch mal, mir näherzukommen, und dann spielen wir mal damit, was möglich wäre.“ Entschieden ist zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts – und genau deshalb nennt man es ja ein „Spiel mit den Möglichkeiten“.
Gut – der Flirt ist noch keine Liebe. Aber da nahezu jede Liebe mit einem Flirt, also einer Art „probeweise Annäherung“ beginnt, muss das Spiel etwas mit der Liebe zu tun haben und die Liebe mit dem Spiel.
Zunächst einmal müssen wir uns darüber klar werden, dass Erwachsene nicht nur die Fähigkeit haben, Spiele einzusetzen, sondern dass sie dies auch häufig tun, wenn sie unsicher sind. Darüber hinaus bemerken „spielende Erwachsene“ oft gar nicht, dass sie spielen, sonder nehmen an, dass sie etwas in völliger Ernsthaftigkeit tun.
Wie geht das?
Warum die Liebe auch ein Spiel ist
Der Psychiater Eric Berne hat etwas getan, was die Welt der Erwachsenen einst erschüttert hat: Natürlich spielen sie, und die Spiele, die sie ständig zelebrieren, nannte er „Spiele der Erwachsenen“ . Viele davon waren und sind Liebes-und Beziehungsspiele.
Wer hätte das gedacht? Eigentlich jeder, der sich schon mal in die Niederungen der Liebes- oder Lustanbahnung begeben hat. Nur zugegeben hat es eben niemand. Auch heute noch ist ein großer Teil der Balzerei unter jungen Leuten ein Spiel mit der eigenen Attraktivität. Und die Ehepaare und andere „gestandene“ Erwachsene? In der Liebe spielen sie naiv erscheinende Spiele und bisweilen sogar heftige Rollenspiele, bei deren Erwähnung sie außerhalb ihrer vier Wände heftig erröten würden.
Warum wir verschweigen, dass die Liebe ein Spiel ist
Der dichtende Psychiater Ronald D. Laing hat es nicht nur gewusst, er hat sogar beschrieben, wie die Spieler entlarvt werden könnten – und die Empörung darüber, was geschieht, wenn man sie entlarvt (1).
Sie spielen ein Spiel.
Sie spielen damit, kein Spiel zu spielen.
Wenn ich ihnen zeige, dass sie dennoch ein Spiel spielen,
Breche ich die Regeln, und sie werden mich bestrafen.
Ich muss das Spiel, nicht zu sehen, dass sie ein Spiel spielen, mitspielen.
Was letztlich heißt: Nichts ist normaler, als mit jemandem das Spiel der Liebe zu spielen. Aber es ist nicht angebracht, zu sagen: „Um Himmels willen, was tun wir hier! Wir spielen ja nur ein Spiel – lass uns schnell aufhören damit.“
Ist die Liebe etwa doch ein Spiel?
Kommen wir zurück auf die Grundfrage: Ist es ethisch, angebracht oder sinnreich, mit der Liebe zu spielen?
Die Antwort ist mehrteilig:
- Liebesspiele, bei denen beide Partner die Regeln kennen, sind recht üblich und nicht unethisch.
- Geheime Liebesspiele, deren Regeln beiden unbekannt sind, entstehen aus der gewachsenen Intimität der Teilnehmer. Deshalb sollte man sie nicht aufschrecken – man stört dann die Intimität.
- Liebe kann auch dann ein Spiel sein, wenn nur einer der Partner die Regeln kennt, sich der andere aber darauf einlässt.
- Liebesspiele können sinnvoll sein, wenn ein Partner selbstlos spielt, um den anderen zu begeistern.
- Fragwürdig oder gar kriminell sind Spiele, in der nur eine Person weiß, dass sie „Liebe spielt“, in Wahrheit aber andere Ziele verfolgt.
Und was erkennen wir am Schluss? Vor allem, dass uns unsere verbissene Ernsthaftigkeit, mit der wir die „Wahre Liebe“ bisweilen verteidigen, keinen Vorteil bringt. Sie führt nur dazu, uns beständig an der „Echtheit der Liebe“ zweifeln zu lassen. Liebe ist kein beliebiges Spiel, und doch ist sie ein Spiel, das wir erregend finden udn das uns begeistert.
(1) Laing, Ronald D. “Knots”, Bild: Illustration zu einem Buch von 1885, Ausschnitt, anonym.