Liebe und Ökonomie

wie wird alles werden?

Wir Menschen haben eine Eigenschaft, die uns während der Evolution sehr nützlich war:  Wir wollen immer etwa mehr bekommen als das, was wir einsetzen. Ich weiß, dass diese Ansicht in Pfarrhäusern und in den Behausungen anderer Moralisten nicht gelesen wird. Doch wenn ich den Satz umkehre, wird er noch merkwürdiger und gänzlich inakzeptabel: Sollten wir anstreben, immer etwas weniger zu bekommen, als das, was wir einsetzen? Selbst, wenn dies ethischer wäre … würden wir dann überhaupt noch unsere wertvollen Ressourcen, oder auch nur die inneren Werte, einsetzen?

Legen wir zunächst einmal mit dem Autor Gérard A. Bökenkamp fest:


Menschen handeln nur, wenn sie sich davon ein psychisches Einkommen erwarten; erwarten sie kein Einkommen, dann handeln sie nicht.

Ökonomie der Sexualität

Das Konto der Liebe

Man kann sich das so vorstellen: Alle Emotionen, vor allem aber die Liebe, werden auf „emotionalen Konten“ verwaltet. Der Kaufmann spricht von „Soll“ und „Haben“. Übertragen auf die Liebe bedeutet dies: Wir haben einen Teil von Liebe, nach dem wir bedürftig sein, und einen Teil, von dem wir zehren können. Wenn beide Teile gleich aufgefüllt sind, sieht das gut aus – wir können aber keine Liebe „ausgeben“, also verschenken, verschwenden oder gegen etwas tauschen.  

Der Gewinn aus der Liebe

Unser Bestreben ist deshalb, unser Liebeskonto stets etwas „im Haben“ zu halten – was letztlich bedeutet, wir müssen mehr „Einnehmen“ als wir ausgeben. Oder kaufmännisch gesprochen: Wenigstens einen bescheidenen Gewinn aus aus unseren emotionalen Handlungen erzielen.  

Ich denke, die meisten von uns haben schon über Extreme nachgedacht: Einmal Liebeselemente im Überfluss zu haben und sie beliebig ausgeben zu können, sei es als Geschenk oder im Tausch.  Oder aber Liebeselemente so zu entbehren, sodass ein Mangel offenkundig wird. Aus dieser Situation überlegenen wir dann, wir wir unsere inneren „Tanks“, hier Konten genannt, wieder auffüllen können: durch Tausch oder Tricks? Durch Bettelei oder Lügen? Vielleicht gar durch den Einkauf von Liebeselementen?

Nachwachsende Liebe und der Erwerb von Liebe

Wohl dem, dessen „Ressourcen“ nachwachsen, also jemandem, der in sich ruht, sich selbst liebt und dessen Liebeselemente sich ständig regenerieren. Er ist weitgehend frei davon, seine Bedürftigkeit zu zeigen und sich damit möglicherweise auch bloßzustellen. Dabei ist der Begriff „Liebe“ durchaus sehr weit zu fassen – man kann ihn fast mit „psychischem Wohlbefinden“ gleichsetzen.

Dazu noch einmal Gérard A. Bökenkamp:

Die Bedeutung der Liebe ergibt sich daraus, dass kaum etwas anderes so sehr zur Erhöhung des psychischen Einkommens beiträgt wie die Liebe, und kaum etwas so negativ auf unsere psychisches Einkommen wirkt wie eine gescheiterte Liebe.

Ökonomie der Sexualität

Wehe dem, dessen „Ressourcen“ verkümmern, also jemandem, der ständig darüber grübelt, wie er an die Liebe „herankommt“ und dabei auch an das „Mausen“ von Liebe denkt. Er ist bedürftig, und meist kann das die Umgebung auch erkennen. Wenn er mit seinen Absichten aktiv wird, kann er sich bloßzustellen und wird dann möglicherweise verachtet.

Es geht also darum, unser emotionalen Konten nicht „in die Miesen“ zu führen. Wenn das klar ist, sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir einen beschiedenen Gewinn für uns abzweigen können.

Der Tausch von etwa anderem gegen die Liebe

Sehen wir uns einmal an, welche Eigenschaften wir „für die anderen haben“ (also nicht für uns selbst), so finden wir die Mittel, die wir zum Tauschen einsetzen können. Sie reichen von der Liebenswürdigkeit bis zu einem liebenden Verständnis, von der Zärtlichkeit bis zu der Fähigkeit, einem anderen extremen Liebesgenuss zu schenken. Der Ökonom Paul Oyer kann das viel kürzer sagen:

„Menschen, die eine Fähigkeit oder eine Eigenschaft haben, die wertvoll für andere ist, werden auch dafür belohnt.

Evertything I Ever needed …

Das heißt: Du kannst eine Fähigkeit, die du ohnehin besitzt, gegen eine Facette der Liebe eintauschen. Du wirst selbst erkennen, ob dies dein „Liebeskonto“ auffüllt oder nicht.  Du solltest wissen: Die Frage ist nicht, ob es sich dabei um „wahre Liebe“ handelt, sondern ob du am Ende glücklicher bist.

Geht Sex auch als Tauschmittel?

Ich muss dazu etwas ergänzen, was wahrscheinlich noch umstrittener sein wird als die ersten Sätze dieses Artikels. Für viele Menschen ist es schwer, ihre Gefühle ökonomisch zu verwalten, und sie geben manchmal viel mehr aus, als für sie gut ist. Die Ressource „Sex“ steht allerdings nahezu unbegrenzt zur Verfügung, und das mag der Grund sein, warum der Handel mit der Liebe vielfach über sexuelle Erfüllungen abgewickelt wird.

Umstritten oder nicht: Mit Sex lässt sich manche emotionale Ressource schneller auffüllen als mit anderen Komponenten der Liebe, die lange brauchen, bis sie wirken. Dazu noch einmal A. Bökenkamp:

Geschlechtsverkehr zwischen zwei Menschen findet statt, weil beide Beteiligte zum selben Zeitpunkt zu dem Ergebnis kommen, dass dies gerade das beste Mittel ist, ihr psychisches Einkommen zu maximieren.  

Ökonomie der Sexualität

Ein solcher Ansatz ist für viele Menschen erschreckend, möglicherweise gar empörend. Die Frage wäre allerdings, wie sie selbst ihre emotionalen Konten auffüllen.

Was was bedeutet die Ökonomie der Liebe für dich?

Ich sagte schon: „Du kannst eine Fähigkeit, die du ohnehin besitzt, gegen eine Facette der Liebe eintauschen.“ Das ist ein einfacher und problemloser Handel. Du gibst etwas, wovon du genug hast, und bekommst etwas, für das du  einen Mangel festgestellt hast. Frage dabei nicht nach Ethik und nicht nach „wahrer Liebe“.

Teile deine Liebeswünsche in kleinere Einheiten ein. Mach sie „mundgerecht“ für dich. Das ist einfacher, als alles auf einmal zu wollen.

Wenn du  aus dem Geschlechtsverkehr positive Facetten für dein Wohlbefinden und deine Liebesbedürfnisse filtern kannst, dann setzte Sex ein und schäme dich nicht, es zu tun.

Quellen: „Ökonomie der Sexualität“, München 2015 ,“Everything I Ever Needed To Know About Economics”, Boston 2014

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