Die Sprache der Liebe – und warum Liebe nicht „spricht“

staunen statt sprechen

Bevor ich von der Liebe spreche, muss ich euch leider mit etwas Theorie quälen: Die ursprüngliche Sprache der Liebe steht in unsrem Gehirn analog, und sie ist deshalb nicht an feste Zeichen gebunden. Manche Menschen sagen, sie würde durch sogenannte „non-verbale“ Kommunikation übertragen. Das ist ein recht kompliziertes Gebiet, weil es für den Zivilisationsmenschen oft nicht einfach zu erkennen ist, wann jemand erotisch „kommuniziert“. Und um die Sache noch etwas hakeliger zu machen: Nicht einmal alle Menschen, die aktiv erotisch zu kommunizieren versuchen, wissen davon.

Das Problem, über Gefühle zu sprechen

In diese komplizierte Gemengelage müsste nun ein Stichwort fallen, dass ehemals „Verwörterung“ und heute „Digitalisierung“ heißt. Es bedeutet, allerlei menschliche Regungen, vor allem aber Gefühle, in Worte und Sätze zu bringen. Man sagt, je vielschichtiger ein Gefühl ist, umso schwieriger wird es, Worte dafür zu finden.  Gehen wir ruhig davon aus, dass all die Regungen um die Lust und die Liebe recht ungeordnete Gefühle sind. Und nun wisst ihr, warum es so schwer ist, davon zu sprechen, oder gar darüber zu kommunizieren.

Wissenschaftler machen sich über solche Umstände erstaunlich wenig Gedanken, und so bleibt uns nur, einige wenige Argumente aufzulisten, warum wir nicht oder eben doch über Gefühle kommunizieren können (1).

Pro und Kontra zu “Liebesgesprächen”

Das erste Argument „kontra“ wäre, dass es nicht wirklich nötig ist, Worte über die Liebe zu verlieren. Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir über unmissverständliche Gesten der Zueignung oder Ablehnung verfügen.

Ein Argument „pro“ wäre hingegen, dass die Liebe durch schöne Worte erzeugt oder jedenfalls verstärkt werden kann und dabei das Gemüt anspricht. Dazu ist es oft nicht einmal nötig, dass die Worte aufrichtig gemeint sind.

Daraus ergibt sich ein neues Argument „kontra“: Eine Liebe, die erst sprechen muss, kann nicht „aufrichtig“ sein. Sie besteht aus kaum mehr als ein bisschen „Süßholz“, das geraspelt wird und dabei lediglich dazu dient, die Liebesbereitschaft zu verstärken.

Jenseits von schönen Worten würden wir ein wichtiges Argument dafür finden, über „die Liebe“ oder jedenfalls über „Begleitumstände“ zu sprechen: „Bist du bereit?“ „Sollen wir Kondome nehmen?“ „Wie hast du es gerne?“

Dann allerdings sprechen wir nicht mehr eine Sprache, die aus unseren Gefühlen entspringt, sondern eine ganz gewöhnliche Sprache, mit der wir etwas „aushandeln“.

Kitsch ist gefragt – und die Realität?

In der Literatur (insbesondere, wenn sie absolut kitschig ist) verselbstständigt sich die Gefühls-Sprache oftmals. Es ist eigentlich nicht „die Liebe“, von der die Rede ist, sondern ein romantisches rosa Gewölk, in das wir eindringen. Die Autorinnen (und vereinzelte Autoren) versuchen, direkt in die verborgenen Sehnsüchte junger Frauen abzutauchen. Die Frage, ob solche Gefühle authentisch sind, stellt sich selten, solange alle – Autorinnen wie Leserinnen – glauben, darin ihr Glück zu finden.

Die Realität ist grausam. Die Frage „was fühlst du eigentlich, wenn …“ erzeugt so gut wie niemals ehrliche Antworten, weil es im Grunde keine „schönen“ und zugleich „objektiven“ Antworten darauf gibt. Wenn du die Frage einmal ausformulierst, wirst du merken, wie schwer sie zu beantworten ist.

Jedes Paar, das sich längere Zeit kennt, wird neben der natürlichen Sprache auch noch einen Slang für die Liebe entwickeln – sei er betont zärtlich oder betont vulgär. Aber das hat nicht mehr mit der Sprache zu tun, in der sich ein junges Paar beim ersten Mal an die Lust herantastet. Und schon gar nichts mit der Sprache der romantischen Literatur.

Objektive Worte für Vorgänge unter Drogeneinfluss?

Die Liebe entzieht sich einer genauen Beschreibung auf ihre eigene Art: Ein Mensch, der unter Rauschdrogen von außen steht, wird sich kaum „objektiv“ über seien Gefühle äußern können. Und ein Mensch, der unter dem direkten Einfluss körpereigener Drogen oder extremer körperlicher Reaktion steht, wie Ejakulation oder Orgasmus wird kaum darüber dichten. Und deswegen: Spricht die Liebe, so spricht die Liebe nicht mehr. Dann spricht etwas anderes, das mit „Verkultung“ von Gefühlen zu tun hat.

  1. Eine der interessantesten Annahmen über die Kommunikation über Gefühle ist, dass wir dem anderen helfen können, seine Gefühle selbst zu verstehen, während es uns unmöglich ist, sie ihm zu erklären.

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