„Was verschwindet, ist der mit magnetischer Präzision erzeugte Normierungsdruck der alten Mächte.“
Gabor Steingart
Dieser Artikel geht auf eine Idee des chinesischen Arztes und Wissenschaftlers Emil Man Lun Ng zurück. Er stellte fest, dass wir einen großen Teil unseres „Wissens“ über die Liebe aus Medien, Märchen, Legenden oder oder Romanen beziehen. Ja, Emil Man Lun Ng geht weiter: er sagt, die Autoren und Wissenschaftler würden die Liebe herabwürdigen, also zum Beispiel mit „Psychosen“ oder „Besitzgier“ bezeichnen.
Definieren wir die Liebe selbst
Die Frage, die sich im Anschluss an diese Aussage stellt, ist simpel: wenn nichts mehr über die Liebe vordefiniert sein sollte, wer definiert dann, was Liebe ist? Die Antwort: wir selbst – und zwar aufgrund seriöser Theorien und praktischer Erfahrungen. Doch seriöse Theorien sind rar. Viele Paarberater, durch deren Praxis ja fast ausschließlich gestörte Beziehungen laufen, glaubt, etwas Allgemeines über die Liebe äußern zu können. Was bleibt uns? Wir müssen versuchen, unsere Liebesfähigkeit selbst zu entdecken und das, was wir vorgefunden haben, nutzen und gegebenenfalls gegen ander Strömungen verteidigen. Das sagt auch Emil Man Lun Ng:
Überlasst die Liebe nicht dem Glück oder dem Zufall, sondern versucht, daran zu arbeiten.
(Nach einem Vortrag von Emil Man Lun Ng)
Wie das gehen kann? Es ist ein langer Weg, und er erfordert Selbsterkenntnis, Weisheit und Mut. Und es ist ein fünfteiliger Weg. Ich will euch zunächst die fünf elementaren Hinweise von Emil Man Lun Ng nahe bringen. Die Stärken und Schwachpunkte werden im letzten Abschnitt behandelt. Alle fünf Punkte wurden zum besseren Verständnis interpretiert und ein klein wenig „verwestlicht“.
Die Schulung der Liebespersönlichkeit
Du solltest schon sehr früh (spätesten aber seit der Pubertät) an deiner Liebespersönlichkeit arbeiten – in etwa so, wie du auch an der Entwicklung anderen Eigenschaften arbeitest. Suche nach den positiven Teilen deiner Persönlichkeit. Denke an das Ziel, dich auf das „Eingehen und Bewahren einer guten Liebes- und Sexbeziehung“ vorzubereiten.
Der Lebensentwurf. Was will ich?
Versuche, schon einmal festzustellen, welche Partner(innen) dir Freude machen würden. Halte dich dabei nicht an Traditionen, Idealvorstellungen oder Muster. Finden heraus, mit wem du leben willst und kannst. Orientiere dich auch nicht an den Anderen, denn „jeder Mensch hat andere Bedürfnisse und Lebensumstände.“
Suche deinen Partner (deine Partnerin) aktiv.
Versuche nicht, auf das „große Glück“ zu warten. Gehe hinaus ins Leben und finde deinen Partner. Dies benötigst du, um erfolgreich zu sein:
– Beobachtungsgabe.
– Sensibilität.
– Kontaktstärke.
– Weisheit.
– Entschlusskraft.
Die Kombination von Entschlusskraft und Weisheit ist Emil Man Lun Ng besonders wichtig: Du benötigst die Weisheit etwas aufzugeben, das unerreichbar ist, aber etwas zu verfolge, das erreichbar ist. Dies füge ich hinzu: Solltest du eine dieser Eigenschaften nicht oder nur unausreichend besitzen, kannst du sie durch ähnliche gute und wertvolle Eigenschaften kompensieren. Lass dir helfen, wenn du damit nicht zurechtkommst.
Fehlschläge bringen dich weiter
Emil Man Lun Ng sagt etwas, das uns im Westen zunächst überraschen mag: „Nur wenige haben bei ihren ersten Versuchen Erfolg, egal wir gut vorbereitet oder geübt sie sind.“ Im Westen gibt es dafür das Äquivalent: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, und man sagt auch: „Aus seinen Fehlern lernt man“. Der wichtigste Satz in diesem Zusammenhang, wieder von Emil Man Lun Ng: „Lass Deine Wunden schnell verheilen, und schiebe die Schuld nicht auf andere.“ Das Konzept betont also die Eigenverantwortung und erlaubt nicht, ander (oder die Gesellschaft) dafür verantwortlich zu machen, dass etwa „schief geht“. Ein Satz zur Erklärung: In Europa haben wir eine „Erfolgskultur“, aber keine „Misserfolgskultur“, deshalb glauben wir, dass Misserfolge etwas mit „Versagen“ zu tun hat, und solange wir das glauben, stehen wir unter Erfolgszwang.
Passe dich den Lebensumständen an.
Das Natürlichste, was dir passieren kann, ist, dass du dich veränderst. Aber auch deine Umgebung verändert sich – alles ist im Fluss. Daher mahnt Emil Man Lun Ng sagt: „Geist, Körper und Umwelt verändern sich in jedem Stadium eines Lebens und einer Beziehung. Intelligente, durchdachte Anpassungen sind nötig, um um die Befriedigung durch die Liebe zu erhalten.“
Was du aus all dem entnehmen kannst
Den fünf Grundsätzen habe ich wenig Text hinzuzufügen, um die Ideen für westliche Ohren verständlicher zu machen. Für den Westen ist etwas Befremdliches daran, denn Emil Man Lun Ng stellt das gängige Liebeskonzert der westlichen Kultur infrage: „Bedingungslose Liebe“ als menschliches Ideal. Wer die eigene Liebesvorstellung vervollkommnen und durchsetzen möchte, kann nicht „bedingungslos lieben“, und er wird damit bei vielen Menschen auf Unverständnis stoßen.
Indessen gibt es einen Vorteil, der diesen scheinbaren Nachteil übertrumpft: Wo es erlaubt ist, zu scheitern, herrscht kein Erfolgsdruck – es ist jederzeit möglich, neu zu beginnen. Und du kannst von dir sagen: „Ja, ich versuche, meine eigene Persönlichkeit auch in der Liebe zu verwirklichen – das macht mich frei von all den Vorstellungen, die mir andere aufzwängen wollen.“ Es ist auch eine sinnvolle „Impfung“ gegen angebliche „Trends“, die es in der Liebe gibt. Wie entscheidest du dich?
Zitatenquellen: Gabor Steingart: “Das Ende der Normalität”, München 2011, Zitate von Emil Man Lun Ng nach “The World Book of Love” (2013) und einer Internet-Quelle. (2016)