Dies ist ein Artikel über die Bedeutung der körperlichen Liebe und zeigt, warum wir sie nicht als minderwertige Liebe abtun sollten.
Liebe, wie dein Körper sie wahrnimmt, ereignet sich in den kleinen Momenten, in denen du und ein anderer Mensch durch ein gemeinsames gutes Gefühl in Verbindung treten.
Die Psychologin Barbara L. Frederikson (1)
Körperliche Liebe ist Liebe
Fragst du, was Liebe ist, so bekommst du viele Antworten – zu viele, wie ich meine. Wenn du weniger, direktere und ehrlichere Antworten willst, solltest du fragen: „Was ist die Liebe für dich?“
Gut, darüber muss jede Frau und jeder Mann nachdenken, nicht wahr? Halte deine Antwort noch zurück, denn nun frage ich dich:
Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du die Liebe besonders intensiv empfunden hast? Ich bin fast sicher, dass nun ein Leuchten in deinen Augen erscheint, ein Lächeln über dein Gesicht huscht oder deine Wangen erröten. Und sehr wahrscheinlich wird es ein außerordentlich intimes Erlebnis gewesen sein – eines, das du körperlich wahrgenommen hast.
Und nun kommen wir zum Punkt, der wichtig ist: Du nimmst die Liebe am stärksten wahr, wenn sie sich in Körper, in deinem „inneren“ Fühlen und (vermutlich zuletzt) im Geist erwischt.
Forscher: Nichts wissen macht auch nichts
Das Problem der „körperlichen Liebe“ ist im Übrigen das gleiche wie das Problem der „innigen Liebe“ – viele einseitig orientierte Forscher reden zwar darüber, aber sie wissen sehr wenig davon. Denn die Gefühle, die bei der körperlichen Liebe entstehen, die auch „Sex“ genannt wird, werden ja nicht in einem „separaten System“ gesammelt, das sich grundsätzlich von dem System unterscheidet, das unsere „sinnlichen Empfindungen“ aufsammelt. Wann immer sich Soziologen dazu äußern (und sie lieben es, dazu Stellung zu nehmen) versuchen sie, Ihre Auffassungen von Sex oder Liebe darzulegen, obgleich sie weder „Sex“ noch „Liebe“ wirklich verstehen können. Hören wir den Soziologen Jean-Claude Kaufmann (2). Er schreibt:
In den unsicheren Begegnungen von heute fluktuieren Lust und Gefühl unablässig und unfassbar.
Jeean-Claude Kaufmann
Damit sagt Kaufmann nichts anderes, als dass sich Gefühle vermischen, die wir einerseits eher dem „kulturellen fühlen“ und andererseits dem „animalischen Fühlen“ zurechnen. Was ist daran neu? In uns Menschen wohnen nun mal unterschiedliche Säugetier- und Kulturwissenschaften, und inzwischen darf jeder Mensch entscheiden, wie er sie „abmischt“. Das war nicht immer so.
Alles Psyche oder was?
Psychologen, die stets der Psyche etwas näher sind als dem Körper, versuchen zumeist, der Psyche die Königskrone aufzusetzen. Die norwegische Gesundheitspsychologin Bente Træen beruft sich auf ihre Profession als Wissenschaftlerin und schreibt (1):
Bente Træen
Eines der Motive, die Sex beim Menschen zugrunde liegen, ist der Wunsch nach Liebe. Durch sexuelle Handlungen suchen Menschen jemanden zum Lieben und geliebt werden.
Das mag alles so sein, aber beantwortete es die Frage, wie der Körper die Liebe wahrnimmt und warum das „körperliche Fühlen“ alle anderen Gefühle überdeckt?
Man muss lange suchen, bevor man einen Wissenschaftler findet, der so ehrlich ist, seine Forschungen nicht als das „Absolute“ zu vermarkten. Ich fand diesen bemerkenswerten Satz bei Elaine Hatfield und Megan Forbes (1) : In den letzten Jahren haben Sozialpsychologen, Neurowissenschaftler und Physiologen begonnen, die Verbindung zwischen Liebe, Begehren Sexualverhalten zu erkunden. Sie haben herausgefunden … dass leidenschaftliche Liebe und sexuelles Begehren eng aneinander gekoppelt sind
In den letzten Jahren haben Sozialpsychologen, Neurowissenschaftler und Physiologen begonnen, die Verbindung zwischen Liebe, Begehren Sexualverhalten zu erkunden. Sie haben herausgefunden … dass leidenschaftliche Liebe und sexuelles Begehren eng aneinander gekoppelt sind
The World Book of Love
Das mag banal erscheinen – doch sind diese neuen Forschungen wenigstens in Teilen wissenschaftlich abgesichert. Im Grunde darf aufgrund dieser Tatsachen niemand mehr behaupten, „Sex“ sei eine Angelegenheit, die mit „Liebe“ ursächlich nichts zu tun hat und umgekehrt. Der Gegensatz von „Sex und Liebe“, der vor Jahren von Ideologen und Kirchenvertretern erfundene wurde, dürfte damit vom Tisch sein.
Was wir heute wirklich wissen, besteht allerdings nur aus Fragmenten. Gefühle stehen niemals für sich allein, seien sie nun sexuelle Ekstasen oder psychische Feingefühle. Sie ergeben ein Gesamtbild in unserem Sein. Wir haben zwar unterschiedliche Gehirnteile, aber letztlich nur ein Gehirn, das uns die „Daten“ über uns selbst liefert. Ob nun sogenannter „Sex“ die Liebe auslöst, bedingt oder was sonst noch behauptet wird, oder ob die sogenannte „Liebe“ den Wunsch nach Sex befeuert … all das wissen wir für uns selbst – aber niemals von anderen. Und ob wir den „Anderen“ wirklich jemals vollends erfassen können, muss ich nach allem, was ich über den Stand der Forschungen weiß, weit zurückweisen.
Versuche, die Liebe der anderen zu verstehen
Immerhin – wir können es versuchen, und zumeist fühlen wir uns wohl dabei, wenn es uns in Teilen gelingt. Ich denke, das ist die Wahrheit, und sie ist nicht unattraktiv.
Zitate: (1) “The World Book of Love” , 2013, (2) Sex@mour, Konstanz 2011, das Bild ist ein antiquarisches Fundstück (Einzelblatt) ein © ist unbekannt.