Die Psychologie der Persönlichkeit

Extravertiert, introvertiert, sonst wie vertiert?

Bevor du weiterliest, solltest du zwei Fakten kennen:

  • Die Psychologie der Persönlichkeit ist nicht DIE Psychologie, sondern ein Teil davon. Die Frage ist, welche Bedeutung wir ihr zumessen, und die Antworten darauf fallen unterschiedlich aus.
  • Psychologen sind nicht die einzigen Erklärer des menschlichen Wesens. Biologen, Anthropologen, Soziologen und viele andere Wissenschaften und Denkmodelle verfügen ebenfalls über Theorien zur Persönlichkeit.

Vom Temperament zum Persönlichkeitsmerkmal

Ursprünglich sprach man von „Temperamenten“, im Volksmund von „Charakteren“ und seit einigen Jahren mehr und mehr von „Persönlichkeitsmerkmalen“. Aus der „Typenlehre“ wurde nach und nach eine breit gefächerte Theorie von etwa 16 Eigenschaften, von denen angenommen wurde, dass sie sich – einmal erworben – kaum noch ändern würden. Daraus können Fragen abgleitet werden, und aus den Fragen können wiederum Beurteilungen erstellt werden. Zudem geben die Ergebnisse den Psychologen Vergleichsmöglichkeiten zwischen Bevölkerungsgruppen, Ethnien und kulturellen Epochen.

Unklar ist, welche Bedeutung diese Konstrukte außerhalb der Psychologie haben. Die ursprüngliche Absicht, Kategorien zu schaffen und somit ein System der Persönlichkeiten zu erfassen, wurde teils hochgehalten, teils wieder verworfen und mehrfach modifiziert.

C.G. Jung gilt als Urheber

Allgemein wird behauptet, dass die Einstufungen der Persönlichkeit auf Carl Gustav Jungs Buch „Psychologische Typen“ von 1921 zurückgeht. Ob dies wirklich zutrifft, ist umstritten, jedoch scheint festzustehen, dass Jungs Theorie vom Hauptunterschied der Persönlichkeit in jede der neueren Theorien und Fragemethoden eingegangen ist.

Demnach ist das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal das Begriffspaar paar „Extraversion“ und „Introversion“. Obgleich es sich dabei, wie bei allen Faktoren dieser Art, um Dichotomien handelt, also Unvereinbarkeiten, werden sie dennoch skaliert, das heißt, man versucht zu messen, wie viel „Introvertiertheit“ oder „Extravertiertheit“ in einem Menschen wohnt.

Eigenschaften – von 16 zu fünf

Insgesamt wurden 16 solcher gegensätzlicher Eigenschaften angenommen (16ff wurde gegen 1946/1949 entwickelt), die noch heute im 16-Faktoren-Modell Anwendung finden. Populärer ist allerdings das Fünffaktorenmodell, das auch „Big Five“ genannt wird.

Die Methoden werden teilweise ein der Psychiatrie, teils in der Psychologie angewendet. Die gängigste Methode zur Einschätzung der Persönlichkeit ist allerdings das Fünffaktorenmodell von 1980, das auch kommerziell genutzt werden kann – und davon wird reichlich gebraucht gemacht.

Big Five – kommerziell nutzbar

Das Hauptanwendungsgebiet außerhalb der psychologischen Forschung liegt ohne Zweifel im Personalwesen. Hier gibt es klare Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten, aber auch, ob die Person der Tätigkeit psychisch gewachsen ist, oder in das Team passt, für das er vorgesehen ist.

Partnersuche und Persönlichkeitsmerkmale

Wahrscheinlich interessiert ihr euch mehr für den Versuch, derartige Systeme auf Liebesbeziehung anzuwenden. Hier tauchen gleich zwei Schwierigkeiten auf. Erstens wäre zu fragen, ob die abgefragten „Persönlichkeitseigenschaften“ wirklich wichtig für eine Paarbeziehung sind, oder ob ganz andere Eigenschaften gefragt wären. Beispiele sind Liebesfähigkeit, Humor, Familiensinn, Weitblick oder Problemlösungskompetenz. 

Eine andere Schwierigkeit fällt stärker ins Gewicht: Selbst wenn man feststellen könnte, wie sich eine Person in „Beziehungen“ verhalten würde, so könnte man doch nicht feststellen, welche Persönlichkeiten zueinanderpassen würden.  Tatsächlich gibt es keinen einzigen nachvollziehbaren und gesicherten wissenschaftlichen Beweis, wer zu wem passt: Entsprechende „Systeme“ sind also wissenschaftlicher Bluff.

Fünffaktorenmodell – was fragt man ab?

Dennoch ist gut zu wissen, was beim viel verwendeten Fünffaktorenmodell überhaupt gemessen wird:

  • Wie offen bist du für neue Erfahrungen?
  • Wie gewissenhaft, verlässlich oder pflichtbewusst bist du?
  • Wie gesellig oder kontaktfreudig bist du?
  • Wie verträglich oder freundlich bist du?
  • Wie sicher bist du dir selbst?

Das alles geht auch „umgekehrt“?

  • Wie starr oder zögerlich bis du?
  • Wie unbekümmert bist du?
  • Wie reserviert bis du gegenüber anderen?
  • Wie schwierig oder unverbindlich bist du?
  • Wie unsicher oder verletzlich bist du?

Introversion und Extraversion – Fakes der Psychologie?

Interessant ist, dass die Hauptbegriffe „Introversion“ oder „Extraversion“ in vielen Werken über die Ehe und die Beziehungen gar nicht erwähnt werden. Angeblich hat dies mit dem „Zeitgeist“ zu tun, aber es könnte auch einfach bedeuten, dass sich für die Partnersuche, die Partnerwahl, die Beziehungen und ähnliche Interessengebiete so gut wie bedeutungslos sind.

Hinweis: Neben zahlreichen wissenschaftlichen und weniger wissenschaftlichen Werken in Buchform wurden zum Thema gut ein Dutzend Internetbeiträge gelesen. Empfohlen wird, das englische (distanziertere) Wikipedia zu nutzen.

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