Gehen wir einmal an die Graswurzeln. Wir gehören zur Gattung der Säugetiere und bilden eine Spezies, die sich mühsam den Thron des Homo sapiens erkämpft hat. Wir kannten viele Kulturen, von denen wir wissen oder nichts mehr wissen, und eine davon, die für uns als Partnersuchende den größten Umsturz brachte, war die Neolithische Revolution. All dies lebt in uns weiter. Die Natur, die Kulturen, das Menschsein. Die Kultur, wie wir sie heute kennen, stammt aus Arabien, und sie wurde über Griechenland und das Römische Reich nach Germanien gebracht. Man adaptierte noch Judentum Christentum und gab sich damit eine Art Meta-Kultur, die wir heute noch die „Abendländische“ nennen. Doch das nur am Rande.
Nur die Natur zwingt uns, nicht die Not
Unsere Natur – und nichts sonst – zwingt uns zur Partnersuche. Vorbei sind die Zeiten, als wir unsere Horde benötigten, um in der Savanne zu überleben. Seit gut einem Jahrhundert haben wir uns auf Vereinbarungen zum Zusammenleben geeinigt, und seit etwas 50 Jahren haben wir eine Annäherung von Frau und Mann erlebt, wie wir sie nie zuvor in unserer Entwicklung kannten. Für manche von uns ist sie nicht weit genug gegangen, für andere ging sie viel zu weit. Zwar haben sich damit fast alle irgendwie arrangiert, aber ein Effekt fehlt, den wir vor 50 Jahren noch kannten: Die Aktionen und Reaktionen beim Kennenlernen von der ersten Annäherung bis zum ersten Geschlechtsakt waren vorhersehbar. Heute müssen sie sorgfältig ausgelotet und verhandelt werden. Und wir sehen: Gerade dies überfordert viele von uns. Hinzu kommen zahllose psychologische, pseudo-psychologische und andere zeitbedingte Effekte: Wir sind zumindest angehalten, uns selbst zu definieren und uns dann so in die Welt zu stellen.
Die Kurve kriegen – oder etwa nicht?
Sind wir dabei halbwegs realistisch, so bekommen wir die Kurve in die Realität wie auch in die Zweisamkeit. Schwieriger wird es, wenn und eine der vielen Arten von Realitätsverlust trifft, der für unsere Zeit typisch ist: Wir können uns dann nicht mehr realistisch einordnen, aber wir leben in dem Wahn, dennoch auf dem richtigen Weg zu sein. Dauert dieser Zustand an, so lernen wir nicht mehr durch Erfolg und Versagen, sondern glauben, dass wir mit unserer Auffassung, unserem Denken und insbesondere mit unserem Fühlen absolut „richtig“ liegen. Was im Rückschluss bedeutet: Die anderen liegen falsch.
Durchatmen – wann liegst du „noch richtig“?
Nun ist der Punkt gekommen, tief durchzuatmen. Wo liegen wir? Wo befindet sich „die Mitte“? Welche Abweichungen sind noch erträglich und welche führen zu Fehleinschätzungen und Fehlhandlungen?
Die ganz normale Selbstüberschätzung
An dieser Stelle will ich ein Phänomen der Partnersuche beleuchten: Die meisten, ganz normalen Menschen überschätzen sich. Dass es ganz normal ist, sich zu überschätzen, ist vielfach bewiesen worden – nicht nur bei der Partnersuche, aber eben auch. Man nennt den Effekt „Overconfidence“ oder auch „Selbstüberschätzung“.. Da bedeutet: Wir glauben, viel besser als der Durchschnitt zu sein – bis zu etwa 33 Prozent, wie manche Studie beweist. Das hat wiederum etwas mit einem anderen Effekt zu tun: Bei der Partnersuche erwarten wir einen Gewinn für uns.
Warum Augenhöhe oft auf einem Irrtum beruht
Er mag bescheiden ausfallen, aber es muss ein Gewinn sein. Und weil das so ist, suchen wir Menschen, von deren Geist, Persönlichkeit, Macht, Emotionen oder Schönheit wir profitieren können. Inzwischen hat dies in Verbindung mit extremer Selbstüberschätzung einen Namen: „Anspruchsdenken“. Wobei ganz erstaunlich ist, dass der zu hohe Anspruch bei diesem Personenkreis stets als „Augenhöhe“ bezeichnet wird. Das heißt, diese Menschen glauben, auf Augenhöhe zu suchen, sie sind aber gar nicht so „groß“, wie sie denken. Ihre „Augenhöhe“ würde eher zu jemandem passen, der „kleiner“ ist.
Vom Normalsein bis zum Fiasko
Mündet diese Auffassung nun noch in der Überzeugung, keinerlei Verantwortung für das eigene Versagen zu tragen, dann kommen wir dem Fiasko schon verdächtig nahe. Du hast dich nicht nur selbst überschätzt, sondern du weigerst dich auch noch, Verantwortung dafür zu tragen und die notwendigen Veränderungen vorzunehmen.
Nun, ich hoffe, dass es für dich nicht zutrifft. Man nennt so etwas „Self Serving Bias“ und es ist eine Verzerrung der Wahrnehmung, die auf Dauer sehr gefährlich werden kann.
Runter vom hohen Ross
Die beste Abhilfe, um vom „hohen Ross“ herunterzukommen, bevor du herunterfällst, ist dies:
Handele als Mensch, dann als Frau oder Mann und schließlich nach deinen individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen – und suche dir jemanden, mit dem du sie erfüllen kannst.
Das ist leichter gesagt als getan, nicht wahr? Aber es ist wirklich alternativlos.
Wovon wir noch reden müssen? Oh, von sehr viel. Zum Beispiel davon, wer eigentlich zu wem passt, und ob das wirklich vorher feststellbar ist. Und natürlich, wie du die Partnersuche genießen kannst – denn wenn sie dir keine Freude bereitet, ist sie so gut wie sinnlos.