Wunderst du dich über die Frage? Das solltest du nicht, denn die Antworten darauf können ein Schlüssel zu dir selbst sein. Wie immer mache ich es kurz, wenn es um Theorien geht – das Lebendige geht vor. Aber du könntest ja schon mal gucken, was am besten zu deinem Leben passt.
Theorie eins: alles Evolution und Vererbung
Die grundlegende Idee ist einfach: das was, wie Liebe nennen, ist eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl, oder ein Gefühl „menschlicher Nähe und Vertrautheit“, und die Grundlagen dafür sind angeboren. Viele Säugetiere, vor allem die Primaten, haben ähnliche Anlagen.
Wenn das so ist, warum entwickeln sich die Gefühle dann so unterschiedlich?
Theorie zwei: geliebt zu werden erzeugt Liebesfähigkeit
Die Entwicklung der Gefühle, also auch der Liebe, entsteht dadurch, geliebt zu werden. Auf der einen Seite genießen wir es, geliebt zu werden, auf der anderen Seite auch, dass es schön sein kann, andere zu lieben. Klar, dass die angeborenen Gefühle in der Kindheit auch „versaut“ werden können – „intuitives Lernen“ geht in beide Richtungen.
Haben wir das? Wir erfahren bald, dass es einen kleinen Unterschied gibt: Wir können einerseits deshalb geliebt werden, weil andere glücklich sind, dass es uns gibt. Auf der andren Seite erfahren wir irgendwann, dass wir auch (im schlimmsten Fall ausschließlich) etwas „geben“ müssen, um geliebt zu werden – zum Beispiel brav und fügsam sein. Sowohl die selbstlose Liebe, die wir empfangen als auch das „Verhandeln der Liebe“ kann positive und negative Folgen haben.
Beispiele zu den beiden Arten, geliebt zu werden
Dazu als Beispiel eins: Hans wird selbstlos geliebt, und er glaubt, dass das immer so weitergeht – das stärkt seine Liebespersönlichkeit. Irgendwann wird er dennoch in einen „Liebeshandel“ verwickelt. Wenn er nicht weiß, wie er damit umgehen soll, wird es schwierig für ihn.
Beispiel zwei: Grete wird überwiegend dann geliebt, wenn sie irgendeine Leistung vollbringt. Vermutlich will sie aber auch geliebt werden, weil sie existiert. Ihr Leben wir kompliziert, wenn Liebe für sie ausschließlich ein Tauschmittel wird. (Siehe Theorie Fünf)
Die dritte Theorie: Liebe lernen – aber wie?
Also gut. Das war Theorie zwei. Behauptet wird ferner, wir würden „Liebe lernen“, zum Beispiel anhand des Verhaltens von Eltern oder Großeltern. Diese Theorie ist gespickt mit psychologischen Vermutungen. Sie geht so weit, dass wir die Liebe auch „nachlernen“ können. Wer sich beispielsweise durch Erich Fromms Werk „Die Kunst der Liebe“ durchgekämpft hat, wird finden: Wir können Liebe angeblich lernen, und es werden viele Antworten gegeben, wie es nicht funktioniert – aber eben keine, wie es tatsächlich bewerkstelligt werden könnten. Insofern ist stark zu bezweifeln, dass wir uns Liebe von anderen „absehen“ können. Immerhin ist es offenbar möglich, die Liebe dadurch zu lernen, dass man im Erwachsenenalter selbst (erstmalig) geliebt wird, also die Liebe durch einen einzigen anderen Menschen kennenlernt.
Widersetzt sich jeder Theorie: die Pubertät
Alles, was wir vor der Pubertät über die Liebe erfuhren, wir später einer enormen Belastungsprobe standhalten müssen. Alles wir sich verändern, denn nun beginnen wir, „Liebe“ und „Gernhaben“ zusammenzufügen und in sexuelle Erregung münden zu lassen. Und die Erfahrung schient oft paradox zu sein: diejenigen, die wir früher „geliebt“ haben oder bei denen wir uns jedenfalls wohlgefühlt haben, werden nicht unbedingt unsere „Lover“ werden. Die Natur schlägt nun mit den stärksten Drogen zu, über die sie verfügt. Wir können kaum neue Erkenntnisse über uns gewinnen, sondern verfallen zunächst in einen Rausch der Gefühle.
Die vierte Theorie: Lieben durch Anpassung
Die Liebe der Erwachsenen soll, einer Theorie von Robert M. Gordon folgend, entweder durch „eigene Liebeserfahrungen“ oder aber durch die Anpassung an gesellschaftliche Normen bewirkt werden. Gordon behauptet, das Liebesleben der Erwachsenen würde durch „kognitives Lernen“ bestimmt, also durch Einsichten in die wahren oder „wirklich wichtigen“ Werte, nach denen sich Erwachsene neu orientieren würden. Außerdem fände im Erwachsenenalter eine Anpassung an gesellschaftliche Normen statt. Ganz offensichtlich werden hier Beziehungen angesprochen, die auf „Vernunft“ basieren. Ob ein solcher Prozess wirklich etwas mit Liebe zu tun hat und ob er dem heutigen Selbstverständnis von Frauen und Männern in einer freiheitlichen Gesellschaft standhält, scheint mir zweifelhaft. Der Name Robert M. Gordon steht hier stellvertretend für viele andere Therapeuten, die einer „Liebesheirat“ skeptisch gegenüberstehen.
Die fünfte Theorie: Eigenschaften verhökern
Noch ernüchternder freilich ist die Theorie, wir würden unsere Liebe an den meistbietenden „verkaufen“, die einen eigenartigen Charme für jene hat, die Online-Dating betreiben. Hier werden mal körperliche, mal soziale und mal psychische Eigenschaften verhandelt. Das ist nicht so neu. Auch auf Tanzveranstaltungen im 20. Jahrhundert wurde mit Schönheit und Erfolg gebalzt. Neu an der heutigen Zeit ist der Versuch, sogenannte „Persönlichkeitsmerkmale“ zu verhökern, oder in der Sprache der Betreiber: psychologisch abzugleichen.
Die sechste Theorie: Liebe entstehen lassen und pflegen
Eigentlich beschäftigen sich inzwischen fast alle Forscher damit, wie man eine einmal begonnene Liebe erhalten und gegebenenfalls noch vertiefen kann. Es ist ein weites Feld, beginnt bei frivolen Dessous und endet noch lange nicht bei der Pflege des gegenseitigen Verständnisses füreinander. Und es zeigt sich, dass ein Grundsatz alle überflügelt: Vergleiche nie, sondern gestalte deine Liebe so, dass sich dein Partner möglichst so wohl fühlt wie du selbst.
Die sechste Theorie: Liebe entstehen lassen und pflegen
Wo befindest du dich? Erkennst du dich wieder? Liebst du von dir aus oder lässt du dich lieben? Wie hoch ist der Preis, den du dafür zahlst, geliebt zu werden?
Und welcher Theorie würdest du zuneigen, wenn du dein eigenes Liebesleben ansiehst?