Liebe – Werbung, Wissenschaft und Wahrheit

Ist es Lust, Liebe … oder was denn nun?

Nur eines wissen wir sicher: Liebe ist ein Gefühl. Manche Autorinnen und Autoren verdrängen diese Tatsache, weil sie einen wissenschaftlichen Zwang spüren, das Wort eindeutig zu erklären. Ich kann dazu sagen, dass die Liebe selten ein eindeutiges Gefühl ist – woraus wieder folgt, dass pauschale Erklärungen wenig Sinn haben. Die heutige Sichtweise der Liebe orientiert sich mehr an den Empfindungen der Person und nicht mehr so sehr an akademischen Vorgaben. Und das heißt nichts anders als: Liebe ist ein Gefühl, das dir gehört – und das nur du dir wirklich erklären kannst, wenn du magst.

Tatsächlich wäre also nur der „Eigentümer“ in der Lage, seine Gefühle beschreiben. Das bedeutet leider nicht, dass er wirklich dazu fähig ist, und ebenso wenig, dass er diese Gefühle „objektiv richtig“ deutet. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ bei der Deutung der Liebe. Sie ist immer genau das, was wir empfinden. Daraus entstehen schöne, zärtliche, sinnliche oder lustvolle Begegnungen, aber auch Verwicklungen und Gefahren.

Gefühle (nicht nur so große wie „die Liebe“) sind vielschichtig. Sie sind dein Eigentum, weil sie „in dir wirksam werden“. Wir können die Gefühle nicht „exakt einordnen“, weil sie uns jedes Mal ein wenig anders „erwischen“, aber sie sind nun mal in dir, gehören zu deinem Körper, deinem Empfinden und deinem Erleben. Sei nicht traurig, wenn es dir nicht gelingt, sie zu beschreiben. So etwas können nur ganz wenige Menschen. Du kannst ihnen aber nachspüren, damit sie dir bewusster werden.

Die offiziellen Sichtweisen

Wer das Internet durchforstet, wird mittlerweile mehr kommerzielle Beratungsseiten mit Angeboten für Bücher, Seminare und dergleichen finden wie sinnreiche, neutrale Artikel. Bei den verantwortungsvollen Autoren finden wir oftmals den Hinweis auf die Trennung zwischen „Verliebtheit“ und „Liebe“. Ganz schlüssig ist auch dieser Unterschied nicht, denn zumeist beginnt die Liebe mit der Verliebtheit – und mit dem Wunsch der Natur, Bedenken gegen die Bindung mit starken körpereigenen Drogen auszuschalten. Forschungen sollen ergeben haben, dass dafür Neurotrophine (1) infrage kommen – aber das ist ein Gebiet, das hier nicht vertieft werden kann. Es reich völlig, zu wissen, dass es in jedem Fall körpereigene Drogen sind, die unseren Verstand zeitweilig lähmen, um die Paarung oder Paarbildung zuzulassen.

Das Säugetier in uns und die „menschliche Psyche“

Viele Menschen wollen aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen nicht „wahrhaben“, wie viel von einem Säugetier in uns steckt, und sie versuchen deswegen, die ersten Anzeichen von Verliebtheit mit „psychischen“ Reaktionen gleichzusetzen. Das ist grober Unfug, denn „die Psyche“ ist ein gedachtes, sehr kompliziertes Gebilde, das von naturgegebenen Elementen der Evolution ebenso beeinflusst wird wie von den körpereigenen Drogen – mit der zusätzlichen Komponente, dass es uns „zu Bewusstsein“ kommen muss.  Ich kann das einfacher sagen: Die Psyche ist das, was noch davon übrig bleibt, wenn wir darüber reden. Und das ist beweisbar wenig.

Verallgemeinerungen sind billig und dumm

Einfacher ist es natürlich, Sprüche zu machen, die mit „Liebe ist …“ oder „Liebe bedeutet …“ beginnen. Ich halte die Menschen, die so etwas ernsthaft schreiben, für „schreckliche Vereinfacher“, die nichts begriffen haben und trotzdem viele Worte über die Liebe verlieren. Leider gewinnen gerade diese Personen stets die Sympathie der Feuilletonisten. Der Kampf um die „Hoheit über die Liebe“ ist also noch nicht ganz gewonnen: Noch immer beanspruchen beispielsweise Soziologen die Definitionshoheit. Vereinzelt finden wir auch noch Psychologen, Psychiater, Paarberater und Theologen, die sich nicht daran gewöhnen können, dass die Menschen ein Recht dazu haben, die Liebe für sich selbst zu definieren. (2)

Verallgemeinerungen sind billig und dumm

Auf der anderen Seite stehen all die schwülstigen Definitionen, die uns die Illusion der Liebe „verkaufen“ wollen. Es sind nicht allein Schlager und Groschenromane, die dies versuchen. Immer, wenn von der Beteiligung des „Herzens“ die Rede ist, empfiehlt sich Vorsicht. Und überhaupt wird das Wort „Liebe“ wird für alles gebraucht, was irgendwie mit der Freude an etwas oder jemandem zu tun hat.

Ausdruck allgemeiner Verunsicherung: Synonyme

Schauen wir uns an, was heute als „Synonyme“ für Liebe gilt, so bekommen wir ein Sammelsurium von Gefühlen angeboten: von der „Herzenswärme“ bis hin zur „Hingabe“ und vom „Wohlwollen“ bis zur „Vergötterung“.

Rein sprachlich haben wir uns angewöhnt, das Wort „Liebe“ einzuschränken oder zu umkränzen: Ist sie mit einem Anklang von Kitsch oder Nostalgie verbunden, so heißt sie die „romantische Liebe“. Wollen wir auf die Verbindung von Werten aus dem Inneren hinaus, so heißt sie „wahre Liebe“. „Verliebtheit“ nennen wir sie, wenn der Geist zeitweilig ausgeschaltet wird, um den intensiven Zugang zueinander nicht zu stören und die Verbindung weiter aufzubauen.  Und unsere Begierde, Leidenschaft oder Lust auf den anderen nennen wir manchmal Sex, und manchmal verbinden wir sie mit der Hitze und nennen sie „heiße Liebe oder „glutvolle Liebe“.

Eigentlich sollten wir sagen können: „Liebe ist für mich (derzeit) …“, und niemals „Liebe ist …“. Und unser Problem dabei ist immer wieder, dass an der Liebe mindestens zwei Menschen beteiligt sind, die angeblich „einander“ lieben und von denen dennoch jeder den anderen in etwas anderer Weise liebt. Und auch dies muss noch gesagt werden: wir können über unsere Liebe irren, wie wir über alles andere auch irren können.

Wenn wir gedanklich soweit zusammen wären, dann wäre schon etwas gewonnen.

(1) Es gibt viele Botenstoffe, die alle bei der Entstehung von Lust, Leidenschaft oder sexuellem Verlangen mitwirken. Sie sind ein Teil der Natur, aber sie sind auch sehr wirksame Drogen.

(2) Es ist möglich, dass bei der Selbst-Definition Konflikte mit den Definitionen anderer entstehen. Werden diese unerträglich, so kann professionelle Hilfe nötig sein.

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