Für die meisten Betrachter der innigen menschlichen Beziehungen ist „Markt“ ein Unwort. Besonders der Teil der Sozilogen, der sich als sozialistisch und antikapitalistisch ausweist, wird kreidebleich, wenn vom „Partnermarkt“ die Rede ist. Aber auch andere Autoren vermeiden das Wort „Markt“ ebenso wie die Ökonomie der Partnersuche. Oftmals ist gar nicht von „Markt“ die Rede, sondern bereits von „Marketing“, wenn es darum geht, den Partnermarkt zu verteufeln. Dazu ein Zitat des viel gelesenen marxistischen Psychotherapeuten Erich Fromm (1):
In einer Kultur, in der die Marketing-Orientierung vorherrscht …, darf man sich kaum darüber wundern, dass sich auch die menschlichen Liebesbeziehungen nach den gleichen Tauschmethoden vollziehen, wie sie auf dem Waren- oder Arbeitsmarkt herrschen.
Jedem Tierchen sein Pläsierchen – und so gönne ich allen Marxisten ihre private Weltsicht. Das Problem an der Aussage ist nur, dass sie völliger Unsinn ist. Denn der Partnermarkt existiert unabhängig davon, ob wir ihn wahrnehmen oder nicht oder ob wir ihn mögen oder nicht.
Was ist denn ein Markt? Es ist der Platz, an dem Verkäufer und Käufer zusammenkommen, um sich auf Tauschgeschäfte einzulassen. Dieser Markt existierte schon in der Bibel, wo man dem Brautvater eine nicht unbeträchtliche Summe zahlen musste, wenn man die Tochter ehelichen und damit als Arbeitskraft vom väterlichen Gut abziehen wollte.
Die Tochter verehelichen und dafür zahlen
Ein Markt ganz anderer Art ist aus der Blütezeit des Bürgertums bekannt. Hier ging es darum, die Töchter möglichst zeitig aus dem Haus zu bekommen. Dazu musste der Vater eine nicht unerhebliche Mitgift aufbringen, damit die Tochter dem zukünftigen Ehemann nicht zur Last fiel.
Nun muss der Mann die Tochter ernähren können
Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war einer der wichtigsten Marktgesichtspunkte, ob der Bewerber um die Tochter diese „denn auch ernähren könnte.“ Insofern versuchten die Eltern oft, Männer mit schwachem Einkommen zurückzuweisen.
Heute: Jeder bietet an, was er hat und kann
Die gesamte Situation änderte sich erst mit den Erfolgen der Frauenemanzipation: Nun konnte eine Frau „auf eigenen Beinen stehen“, weil sie besser ausgebildet war und damit ein höheres Einkommen hatte. Die Notwendigkeit, eine Ehe einzugehen, entfiel weitgehend. Seither haben wir den „offenen“ Markt, auf dem jeder Teilnehmer Käufer und Verkäufer zugleich ist. Die Marktteilnehmer zahlen mit allen Ressourcen, die verfügbar sind – Persönlichkeit, Einkommen, Bildung, Macht, Ansehen und natürlich auch mit körperlicher Attraktivität.
Das eigentlich Interessante an diesem Markt ist freilich, wer „verfügbar ist“. Auf diesen Punkt konzentriert sich inzwischen alles, und die heutige Tendenz, sogenanntes Online-Dating zu betreiben, stützt die These, dass es einen Markplatz geben muss, an dem sich der heutige Single anbietet.
Verwirrende Verhältnisse am Markt
Verwirrend ist inzwischen, sich selbst auf diesem Markt einzuschätzen. Diese Tatsache führt zu zahllosen Irrungen und Wirrungen, von denen die neuen Formen der „Ansprüche an den Partner“ als Spitze des Eisbergs gelten.
Der heutige Partnermarkt verlangt von seinen Teilnehmern vor allem, sich selbst einschätzen zu können. Da diese Fähigkeit nicht gerade verbreitet ist, haben viele Partnersuche an den Märkten „schlechte Karten“. Dieses Dilemma durchzieht heute die gesamte Kultur des Kennenlernens.
(1) Erich Fromm, “Die Kunst des Liebens”, zuerst erschienen 1956